Die Krisen scheinen sich im Herbst 2022 zuzuspitzen. Für vorsichtige Unternehmer/innen ist es daher wichtig, mögliche Szenarien abzuleiten und sich rechtzeitig vorzubereiten. Das ist Teil der strategischen Planung, die in den aktuell volatilen Zeiten häufiger angepasst werden muss. Die vier ökonomischen Krisen mit dem größten Bedrohungspotenzial sind derzeit Stagflation, Eurokrise, Energiemangel und Lieferkettenstörungen.
Stagflation
Die Inflation beträgt in Deutschland offiziell bereits knapp 8 Prozent, inoffiziell und gefühlt wohl eher über 10 Prozent. Die Hauptursache ist nicht nur Putin, wie die EZB, Politik und Medien postulieren. Es ist vielmehr das hemmungslose Gelddrucken der Europäischen Zentralbank und die hausgemachte Kostenexplosion bei Gas und Strom. So beträgt allein der in den letzten drei Jahren aus dem Nichts erschaffene Geldüberhang rund 5 Billionen Euro. Die Energiewende, der Ukraine-Krieg, die gestörten Lieferketten, der schwache Euro und die nun einsetzenden Lohnerhöhungen werden die Inflation weiter nach oben treiben. Der Mittelstand muss also weiterhin mit hohen Einkaufspreisen rechnen und sich überlegen, wie die Preise an Kunden weitergegeben werden können.
Neben der Inflation besteht die Gefahr, dass Deutschland in eine Rezession rutscht. Man spricht dann von einer Stagflation. Einige Forschungsinstitute erwarten für das vierte Quartal eine leichte Schrumpfung des Bruttoinlandsproduktes. Nach dem letzten, auf einem Tiefstand angelangten GFK-Konsumbarometer halten die Deutschen in der Inflation ihr Geld zusammen. Hinzu kommen jetzt die leicht steigenden Zinsen, die klassischerweise konjunkturdämpfend wirken.
Eurokrise
Wenn die US-amerikanische Notenbank FED ihre Zinssätze stärker anhebt als die EZB, was aktuell geschieht, dann fließen Investorengelder verstärkt in die USA. Der Euro wertet dann gegenüber dem US-Dollar ab. Rohstoffe und Waren, die in die EU importiert werden müssen, werden teurer und heizen die Inflation weiter an. Die EZB steht derzeit vor dem Problem, dass sie die Zinssätze nicht anheben kann, da sonst die stark verschuldeten Südländer Italien, Frankreich, Spanien, Portugal und Griechenland kollabieren. Sie haben sich in den letzten Jahren fast ausschließlich über die EZB-Geldschöpfung zu künstlich niedrig gehaltenen Zinssätzen finanziert, was nach den Maastricht-Verträgen eigentlich verboten ist. Dadurch sind Blasen in den Immobilien- und Aktienmärkten entstanden, die nun zu platzen drohen. Die EZB versucht derzeit mit allen Mitteln, die steigende Zinsdifferenz zwischen den EU-Nordländern und EU-Südländern zu reduzieren. Im Brennpunkt steht aktuell Italien.
Energiemangel
Der derzeitige Gasmangel treibt die Energiepreise in ungeahnte Höhen. Viele Mittelständler, die Gas für ihre Produktion benötigen, sind existenziell gefährdet und müssen für Alternativen sorgen, wie etwa den Aufbau eigener Flüssiggaskapazitäten. Aber warum gibt es so wenig Gas? Russland soll seine Gaslieferungen im Zuge der Kriegssanktionen reduziert haben. Auch wurde Nordstream 2 gestoppt. Der wichtigste Grund liegt aber nach Auffassungen von Energieexperten wie Prof. Vahrenholt darin, dass in Deutschland und in anderen europäischen Ländern zu viele Kohle- und Kernkraftwerke gleichzeitig abgeschaltet wurden und noch werden. Die Lücke füllen Gaskraftwerke, die nun in Volllast laufen müssen. Dadurch steigt die Nachfrage und treibt den Preis auf dem Gas-Spotmarkt in Amsterdam. Auswirkungen hat der drastische Abbau der Kraftwerkskapazitäten in Europa auch auf den Strompreis. Der Future-Preis für Strom hat sich aktuell verzehnfacht. Befeuert wird die dramatische Lage dadurch, dass Frankreich die Hälfte seiner Kernkraftwerke wegen Wartung und Problemen stillgelegt hat. Die Krise ist also auch hausgemacht.
Lieferketten
Die internationalen Lieferketten sind durch Corona-Lockdowns und angeordnete Quarantäne nach wie vor gestört. Vor allem die chinesische Null-Covid-Strategie in China hat erhebliche Auswirkungen. Viele Unternehmen haben daher in den letzten Monaten gehamstert und ihre Läger vollgestopft. Das hat die Erzeugerpreise und Knappheiten weiter angetrieben. Die Suche vieler Mittelständler nach neuen Lieferanten und Produktionsstätten in Europa und Nordafrika ist daher im vollen Gange (Re-Regionalisierung). Wie lange der Sand noch im globalen Handelsgetriebe bleibt, ist derzeit nicht abzusehen. Der Ukraine-Krieg und die schwelenden Konflikte in Taiwan sorgen für weitere Störungen und Unsicherheiten.
Für den Mittelstand ist es daher höchste Zeit, sich auch für Worst-Case-Szenarien zu wappnen, aber auch auf die Politik einzuwirken, alles dafür zu tun, dass der Industriestandort Deutschland erhalten wird. Dazu gehören z. B. auch die Laufzeitverlängerungen der Kohle- und Atomkraftwerke.